Grüß Gott!

Vom Wunder der Erinnerung

Es stürmt in der Maxvorstadt, ich trete vor die Tür, der Wind fegt ums Haus und bläst mir mitten ins Gesicht. – Schnitt.

Nordsee, Frühjahrsstürme. Der Wind zaust meine Haare, treibt mir Tränen in die Augen, unzählige Sandkörnchen peitscht er mir ins Gesicht. – Schnitt.

Und plötzlich laufe ich wieder am Strand, gegen den Wind und mit ihm gemeinsam, werde eins mit Wogen und Sturm und schmecke die salzige Luft – mitten in der Maxvorstadt. Was ist passiert?

Vom Wunder der Erinnerung

Es stürmt in der Maxvorstadt, ich trete vor die Tür, der Wind fegt ums Haus und bläst mir mitten ins Gesicht. – Schnitt.

Nordsee, Frühjahrsstürme. Der Wind zaust meine Haare, treibt mir Tränen in die Augen, unzählige Sandkörnchen peitscht er mir ins Gesicht. – Schnitt.

Und plötzlich laufe ich wieder am Strand, gegen den Wind und mit ihm gemeinsam, werde eins mit Wogen und Sturm und schmecke die salzige Luft – mitten in der Maxvorstadt. Was ist passiert?

Unwillkürlich breite ich die Arme aus, und da ist es wieder, dieses Gefühl von Freiheit: Freiheit der unendlichen Weite des Horizonts und Freiheit in mir, wenn der Wind mich durchpustet und meine Gedanken durcheinanderwirbelt … Und es ist, als seien vierzig Jahre nicht gewesen, und die Vergangenheit ist Gegenwart, bis hinein in das Gedächtnis meines Körpers. Und für einen Moment bin ich sie wieder: die 18Jährige an der Nordsee. Und wie damals durchflutet es mich, das Gefühl von Freiheit und Unendlichkeit, das ich tief in mir bewahrt habe.

Wir kennen das alle: Es reicht ein Wort, ein Name, ein Duft, ein paar Töne einer Melodie – oder eben starker Wind, um unvermittelt in die Phantasieströme eines ganz eigenen Wunderreichs getaucht zu werden, das wir unsere Biografie nennen. Und auf einmal steigen aus den Tiefen unserer Erinnerung wundersame und nicht mehr geahnte Details auf, Farben, Klänge, Bilder, Gefühle, die uns überwältigen und zurückversetzen in unser „Ich zu anderer Zeit“. Es sind rätselhafte, magische Momente, in denen wir auf solche Weise Raum und Zeit verlassen, obwohl wir hier sind, in der Maxvorstadt, ohne Frage.

Wir machen das Ver-Innerlichte uns selbst neu zugänglich. Wir er-innern uns. Und was wären wir ohne unsere Erinnerungen? Sie bewahren, was wir von uns erzählen können, was uns geprägt hat und uns zu denen macht, die wir heute sind. Und indem wir uns erinnern, wiederholen wir, was für uns bedeutsam ist: Schönes, auch Schweres, ge-denken und be-denken, was es mit uns macht, und holen es damit aus den Tiefen unseres Unterbewussten, in denen es nur stumm wirkt. Das gilt für uns als einzelne und genauso wie für uns als Gesellschaft oder als christliche Gemeinde, in der wir eine kollektive Identität und Erinnerung haben.

Mit der Passionszeit und Ostern begehen wir solch eine Zeit des gemeinsamen Erinnerns in Gottesdiensten und Konzerten. Wir erinnern uns an den Weg dieses Jesus von Nazareth bis zu seinem Tod am Kreuz, ja, bis zu dem Wunder seiner Auferstehung. Als auferstandener „Christos“, Gekreuzigter, gibt er uns unseren Namen; nach ihm nennen wir uns christliche Gemeinde. Beziehen daraus, was uns ausmacht: dass wir einen Gott haben, der uns liebt mit all unseren Macken und Fehlern – warum sonst hätte Jesus sich mit einem Zachäus abgegeben? Dass wir einen Gott haben, der unser Leben teilt und heilt. Der uns auch im Tod nicht lässt. Der uns neues Leben verheißt in einer anderen Wirklichkeit.

Wir erinnern uns. Machen das Ver-Innerlichte uns neu zugänglich. Und manchmal erwischen uns nicht mehr geahnte Details: Farben, Klänge, Bilder, Gefühle, verknüpfen sich mit unserem Empfinden heute und versetzen uns für einen Moment in eine andere Zeit, einen Passionssonntag, ein Ostern vor … Jahren. Und ja: das sind alles wir – und so leben und schreiben wir in unserem Erinnern die Geschichte Jesu fort,

 

findet

Ihre Sabine Geyer